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AUSSTELLUNGEN

CLAUDIA WEILER-KÜHN

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Ausstellung “Facetten” in Clausthal-Zellerfeld

im Galerieraum der Sparkasse Goslar/Harz

Eröffnungsrede von Dr. Matthias Schlicht, Dozent für Ethik und

Rhetorik an der TU Clausthal, 17.11.2008

Meine Damen und Herren,

die Ausstellung mit Malereien, Grafiken und Collagen von Claudia Weiler-Kühn trägt den Titel „Facetten“. Nicht nur Damen assoziieren mit dem Begriff schnell den sog. „Facettenschliff“. Erst diese Schleiftechnik ermöglicht es, Edelsteinen wie z.B. Diamanten das „Feuer“ zu entlocken. Die geschliffenen Facetten lassen das ein-und ausfallende Licht brechen und reflektieren. Das Licht erzeugt so den Eindruck von Lebendigkeit, Ausdruckskraft und Individualität des Edelsteins.

Auch die hier ausgestellten Kunstwerke möchte ich als Facetten verstehen. Der Edelstein, dem sie zu Reflexionen und Brechungen verhelfen, ist kein anderer als das Leben selbst. Die Künstlerin blickt auf die Welt, die uns umgibt. Sie nimmt Erfahrungen wahr im Umgang des Menschen mit sich selbst, mit anderen und mit der Natur. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen ist der Künstlerin aber die Gabe gegeben, diesen Wahrnehmungsprozess künstlerisch aus sich herauszusetzen, zu exponieren (im wahrsten Sinne des Wortes).

Vielfältig wie die Welt und das Leben sind so auch die Themen der Kunstwerke:

ein Tag am Strand, eine Fahrt über einen Austernpark, Trilogie der Zeugung. Wir sehen Konkretes, wir sehen Verfremdetes, wir entdecken archaische Zeichen: Linien, Ebenen, das Kreuz.

Vielfältig wie das, was wir sehen und fühlen, sind auch die zur Verwendung gekommenen Materialien:

Leinwand, verschiedene Papierarten, Holz, Textseiten aus alten Büchern ebenso wie Rosshaar.

Vielfältig wie alles, was uns umgibt, ist auch der künstlerische Ausdrucksstil. Wir finden aquarellig anmutende Arbeiten mit chinesischer Farbtusche, Malerei, Holzschnitte, Lithographien,

Radierungen und Collagen. Themen, Materialien und Ausdrucksstile sind die Facetten, mit denen die Künstlerin die Welt wiedergibt und individuell interpretiert. Wir sind eingeladen, um Bekanntes neu zu entdecken und Unbekanntes aufzuspüren. Ein Ausstellungsstück lädt für dieses Ziel sogar zur Berührung ein. Um ein Geheimnis zu lüften, müssen wir selbst Hand anlegen.

Unsere Begegnung mit dieser Ausstellung ereignet sich nicht en passant, im Vorbeigehen. Die hier ausgestellten Kunstwerke verschließen sich sogar dem eiligen Konsumenten. Sie bedürfen des Verweilens, des Schauens, des Fühlens.

Der Vorgang des Erfassens ist einfach und komplex zugleich. (....) Während die gegenständlichen Bilder von Claudia Weiler-Kühn durch ihre künstlerische Präzision und Farbigkeit beeindrucken, zeigen die nicht-gegenständlichen, abstrakten Werke mit Form, Farbe und der damit gegebenen Dynamik einen weiten Horizont auf. Das Sehen dieser Bilder fällt bis heute vielen Zeitgenossen nicht einfach. Aber es ist lernbar, durch Zeit und Übung.

Die Herausforderung beim Betrachten der hier ausgestellten Werke liegt in einem physischen und psychischen Sachverhalt. Normalerweise sind wir es gewohnt, schnell und deutlich Objekte zu sehen, zu erkennen und einzuordnen. Unsere Augen und unser Gehirn müssen so arbeiten, damit wir in der Welt am Leben bleiben.

Die verobjektivierende Sichtweise ist angeboren und notwendig. Aber sie ist nicht die einzige Sichtweise. Zu ihr tritt eine zweite dazu, die der Physiker Arnold Benz einmal die „partizipierende Sichtweise“ genannt hat. Bei ihr betrachtet nicht ein Subjekt ein Objekt, sondern Subjekt und Objekt scheinen irgendwie miteinander zu verschmelzen. Das hört sich zunächst kompliziert an, beschreibt aber eine Erfahrung, die bereits jeder einmal gemacht hat.